Unsere Vormittags-Safari beginnt um 7:15 Uhr. Heute fahren wir in Richtung der tansanischen Grenze. Wir können also schon mal in die Richtung schauen, wo wir am Ende der Reise in der Serengeti unterwegs sein werden.
Aus dem geöffneten Dach halten wir fleißig Ausschau nach Tieren. Gut, dass wir eine Mitreisende mit Adleraugen dabei haben. Sie erspäht so manches - ihre Spezialität: Elefanten. Es macht wahnsinnig viel Spaß, denn wir sehen enorm viel: Impalas, Thomson-Gazellen, einen Pavian, Dikdiks (die kleinsten Antilopen - sieht wie eine Kreuzung zwischen Reh und Hase aus), Gnus, Zebras, einen Kaffernbüffel, einen Adler, Giraffen (leider nur sehr weit weg), Nilpferd-Spuren (leider ohne die dazugehörigen Tiere), Strauße,... Ich kann mich auch an der tollen Landschaft nicht satt sehen. Die Weite, das oft noch frische grün, die einzelnen Akazien-Bäume, die Hügel und dazwischen immer wieder Tiere.
Auf dem Rückweg zur Lodge sehen wir noch einen Büffel. Und als wir gerade ein paar schwarz-graue Punkte als Warzenschweinfamilie identifizieren, ruft Titus auf einmal ''Achtung, Achtung'' und wendet abrupt auf der Straße. Gefolgt von der Anweisung, dass sich alle setzen und gut festhalten sollen. Dann geht es im Affenzahn über die Holperpiste. Wir haben Mühe nicht von den Sitzen zu hüpfen. Die Erklärung: ''Vielleicht eine Überraschung''. Aha... Na, hoffentlich kein überraschender Achsbruch...
Auf einmal geht es scharf links ab auf einen Weg, der für ein Fahrzeug wie unseres sicher nicht vorgesehen ist. Wir beten, dass alle Reifen und Achsen heile bleiben und sind total gespannt, was wir wohl zu sehen kriegen werden. Vielleicht einen Löwen? Oder Geparde? Die suchen wir schon den ganzen Vormittag.
Und auf einmal sehen wir (bzw. natürlich unser Adlerauge als Erste) was Graues - ein Nashorn! Wow! Es pflügt flotten Schrittes durch das hohe Gras, ist aber gut zu erkennen. Es ist ein Spitzmaulnashorn. Laut Titus gibt es davon im ganzen Park nur etwa 30. Wahnsinn, was ein Glück! Gut dass es Funk gibt, denn sonst wären wir hier sicher nie lang gefahren. Hat sich auch schnell rumgesprochen.
Ruckzuck hat sich eine Schlange von acht Autos gebildet. Wir beobachten das Nashorn eine Weile. Es steuert geradewegs auf eine Giraffe zu, die unter einer Akazie im Schatten pausiert. Was wird wohl passieren, wenn die zwei sich begegnen? ... So ziemlich nichts. Völlig unbeeindruckt läuft das Nashorn an der Giraffe vorbei, die sich wiederum auch nicht rührt. Super sighting!
Bevor es zum Mittagessen geht, haben wir noch die Möglichkeit ein Massai-Dorf zu besuchen. Für die Dorf-Führung inklusive Tanzvorführung wird erst mal ''Eintritt'' genommen. Dann werden wir per Tanz von den jungen Kriegern begrüßt und sie führen auch den schon erwähnten Sprung-Wettbewerb vor. Irgendwie schon beeindruckend, wie die so anscheinend völlig mühelos in die Höhe hopsen, als wäre der Boden ein Trampolin.
Dann dürfen wir ins Dorf eintreten. Es ist ein typisches Runddorf. Ein großer leerer Platz in der Mitte, wo nachts die Rinder bleiben, der sicherste Platz im Dorf als Schutz vor Raubtieren. Drumherum sind die Hütten angeordnet, darum ein Zaun, der mit Dornengebüsch von außen noch mal abgesichert ist. Für den Aufbau des Dorfes sind wohl ausschließlich die Frauen zuständig. Die Massai-Männer können mehrere Frauen haben, aber Jede baut ihre eigene Hütte.
Die Hütten sind alle aus einem Grundgerüst aus Stöcken gebaut, die Wände bestehen aus einem Mix aus Lehm und Kuhdung. Drinnen ist es stockfinster. Es gibt nur zwei Mini-Löcher zur Belüftung. In der Mitte ist eine kleine Feuerstelle. Mit acht Leuten (stehend) ist die Hütte voll. Kaum vorstellbar, dass hier eine Familie wohnt. Zu meinem Erstaunen riecht es trotz Kuhdung-Wänden gar nicht so.
Aber es gibt viele Fliegen. Die kleinen Kinder haben auch alle Fliegen im Gesicht an den kleinen Rotznasen. Manche Kinder gucken uns skeptisch an, manche lachen fröhlich. Auf jeden Fall scheinen alle zufrieden zu sein mit ihrem Leben in diesem aus unserer Sicht doch sehr primitiven Dorf.
Insgesamt sollen hier über 300 Menschen wohnen. Mit ca. 250 Rindern. Man muss schon aufpassen, wo man hin tritt, denn hier und da liegen schön zusammengekehrte Misthäufchen. Wir lernen, dass die Ziegen und Schafe nachts nicht in der Dorfmitte gehalten werden, sondern separat, damit sie von den Rindern nicht tot getrampelt werden.
Die Rinder gelten als das sogenannte ''Gold der Massai''. Die Massai trinken die Milch, essen das Fleisch, nehmen die Kuhhäute als Schlafunterlage, machen Schmuck aus den Knochen. Und sie trinken auch das Blut. Das soll sehr gesund sein. Traditionelles Frühstück - ein Mix aus Milch & Blut. Brrrrr, da läuft mir doch ein Schauer den Rücken runter.
Ein paar Frauen führen uns noch ein traditionelles Lied vor. Wir halten uns trotz Aufforderung alle vornehm zurück im Mitmachen. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie trifft es bei solchen Gelegenheiten immer mich. Auserkoren von unserem Dorfführer darf ich mich in die Reihe der Frauen einfügen, kriege schnell ein paar Schmuckketten umgehängt und irgendetwas auf den Kopf gesetzt.
Na toll... und nun? Einfach mal mitklatschen... Oh je, komme ich mir blöd vor. Vor allem, weil alle anderen uns mit ihren Kameras bewaffnet die ganze Zeit nur anstarren und ablichten. Jetzt weiß ich, wie sich wohl die Tiere im Zoo hinter der Scheibe fühlen...
Nach einer gefühlten Ewigkeit werde ich erlöst. Dann folgt der obligatorische Gang zum ''Marktplatz''. Wahrscheinlich der einzige Teil des Dorfes der nicht traditioneller Bestandteil ist, sondern extra nur für die Touristen.
Ich werde von einem John von Stand zu Stand geschleppt und er versucht mir alles mögliche an Schmuck und Deko-Artikeln aufzuschwatzen. Insbesondere das, was (angeblich) seine Mutter hergestellt hat. Nach der Hälfte der Runde merkt er dann auch, dass ich wohl nichts kaufen möchte. Puh, das ist ganz schön anstrengend, insbesondere die Frauen abzuwimmeln. Man will ja auch nicht unhöflich sein.
Aber die Massai-Frauen am Nationalpark-Eingang waren eigentlich die Schlimmsten. Die waren extrem aufdringlich, wollten einem direkt irgendwelche Bänder um den Arm wickeln, streckten ihre Hände einfach durch die Fenster in den Bus bzw. klopften dann wild an die Scheiben, nachdem wir die zugemacht hatten.
Nach dem Mittagessen im Camp haben wir etwas Freizeit bis zur späten Safari. Die wird wieder mal zur Gewitter-Regen-Fahrt. Das kommt anscheinend immer pünktlich um die gleiche Zeit. Zeitweise überlegen wir, ob wir das Dach wieder schließen sollen, aber durch die verregneten Scheiben sieht man auch nicht viel. Also, Regenjacke an und Kopf rausgestreckt.
Bei dem Wetter ist allerdings nicht viel an Wildlife zu sehen. Die Tiere haben sich wohl auch alle verkrochen. Aber dafür eine tolle Szenerie von schwarzem Himmel, Wolkentürmen, Blitzen, Sonnenlöchern und aus dem Gras herausragenden Akazien. In weiter Ferne sehen wir eine große Herde. Da stehen auch einige Autos, scheint also sehenswert zu sein. Da wollen wir hin.
Leider muss Titus uns da eine Absage erteilen - nur für Geländefahrzeuge möglich, die Straßen sind zurzeit zu schlecht und können bei dem Regen zur reinsten Rutschpartie werden. OK, stecken bleiben wollen wir hier lieber nirgendwo.
Dass es Löwen gibt, wissen wir nun ja schon... Auf einmal sehen wir, dass die Fahrzeuge da unten im Tal alle wenden und davon brausen. Was ist denn nun los? Da muss es etwas spannenderes zu sehen geben als eine Riesen-Antilopen-Herde. Vielleicht wieder Löwen? Auch Titus gibt Gas, verrät uns aber mal wieder mit keinem Wort, was los ist. Wohl wieder eine ''Überraschung''...
Von allen Himmelsrichtungen kommen auf einmal Fahrzeuge angesaust. Jeder versucht schneller als der andere zu sein und die beste Fahrlinie auf der schlechten Piste zu finden. Wir sehen das Ziel. Auf einem Hügel gibt es schon eine Ansammlung von Wagen und alles strebt dahin. Ich komme mir vor, wie in einer Autorallye.
Oben angekommen reihen wir uns in die Blechmasse ein und versuchen von Dach zu Dach von anderen Touristen herauszufinden, worum es hier geht. Ein Mann sagt nur ''Stay there, get your camera ready, it’s coming, it’s coming…'' Ja, schön, es kommt, aber was denn? Wir sind total aufgeregt. Das ist fast spannender als ein Krimi.
Und da, in aller Seelenruhe, ich traue meinen Augen kaum, taucht direkt neben unserem Vordermann am Wegesrand ein Gepard auf. Wahnsinn, die wollte ich doch so gerne mal sehen! Die ganzen Autos scheint er gar nicht so recht wahrzunehmen und geht ganz zielstrebig weiter. Da taucht dahinter sogar noch ein zweiter, scheinbar etwas jüngerer Gepard auf.
Wir versuchen alle, Fotos zu erhaschen, bevor die zwei im hohen Gras verschwinden und sogleich wieder bestens getarnt sind. Alle starren den beiden ganz gebannt hinterher. Zeit sich mal umzuschauen. Fast genauso beeindruckend dieses Schauspiel in anderer Richtung - es haben sich hier innerhalb von wenigen Minuten (oder waren es sogar nur Sekunden?) an die 50 Fahrzeuge versammelt. Der Stau löst sich erstaunlich geordnet wieder auf. Ein paar Geländefahrzeuge versuchen die Geparde über einen Seitenweg noch weiter zu verfolgen.
Wir machen uns mitsamt der Minibus-Kolonne auf den Rückweg. Denn wir haben nur noch etwa eine halbe Stunde, bis wir gemäß Parkordnung wieder zurück sein müssen. Was ein toller Tag!